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verfasst am 14.1.2012 18:31 (CST) · Kategorie: Reisen
ein Ausflug nach Harbin für einen Tag
9. JanuarDen Nachmittag nutze ich, um mir eine Übersicht über die Lage der Sehenswürdigkeiten und die Busverbindungen in Harbin zu erstellen (s. oben).
Die Wettervorhersage kündigt Temperaturen um -20 °C an. Bevor ich mich auf den Weg zum Bahnhof mache, ziehe ich fast alles Mögliche, was ich finden kann, an (Skizze rechts). Kurz nach 22 Uhr verlasse ich dann die Wohnung. Mit dem Bus nach Gongzhufen, dann mit der U-Bahn ostwärts nach Jianguomen, umsteigen, und eine Station weiter bin ich schon am Bahnhof.
Die U-Bahnstation Jianguomen 建国门 (in Peking), Kreuzung der Linien 1 und 2 im Osten. Diese beiden Linien sind die mit Abstand ältesten der U-Bahn von Peking. Und die Station mit zeitgemäßer Einrichtung:
(Bild oben links:) Beijing Zhan (Bahnhof) bei Nacht, (rechts:) Menschen warten am Gate auf das Öffnen der Schranken. Trotz bevorstehendem Frühlingsfest kommt mir der Bahnhof nicht voller vor als sonst. Pünktlich zwei Minuten vor Mitternacht fährt mein Zug nach Harbin dann ab. Richtig durchschlafen kann ich nicht, aber besser als auf einem hard seat ist es allemal.
10. JanuarWährend der Fahrt wird es draußen immer kälter. Die Außentemperaturanzeige sinkt kontinuierlich von 2 °C in der Bahnhofshalle von Peking bis -19 °C in Harbin. Doch trotz der Kälte ist, als es draußen wieder hell wird, kein Schnee zu sehen. Nur stellenweise etwas Reif. Um 8:40 komme ich in Harbin an. Ein unaufmerksames Einatmen durch den Mund lässt mich spüren, wie kalt die Luft hier ist. Vor dem Bahnhof sind Bögen aus Eis aufgebaut:
Als ich nach ein paar Minuten Warten im Bus ins Stadtzentrum (nur zwei Stopps entfernt) sitze, bin ich froh, der Kälte für einen Moment entkommen zu sein und mich aufwärmen zu können. Ich erkunde die Stadt etwas zu Fuß, doch schon beim Erreichen der Sophienkathedrale sind meine Füße so kalt, dass ich mich entschließe, mich drinnen erst mal etwas aufzuwärmen, bevor ich weitergehe.
Die russisch-orthodoxe Kirche St. Sophia wurde 1907 errichtet, dient heute aber als Museum, in dem alte Fotografien von Harbin ausgestellt sind:
Harbin wurde erst vor etwas mehr als 100 Jahren gegründet - von Russen als Station der Transmandschurischen Eisenbahn. Vor allem während der Oktoberrevolution flohen viele Russen hierher. Deren Einfluss auf das Stadtbild ist unverkennbar - hier Häuser entlang der Zhongyang Dajie 中央大街:
In dieser "Zentralen Straße" (wörtliche Übersetzung des Straßennamens) befinden sich einige Eisskulpturen - wohl als Werbung sogar eine Flasche Coca Cola:
Ein Thermometer entlang der Straße zeigt -16 °C an. Wegen der Kälte suche ich sogar Zuflucht in Einkaufszentren, um mich ein wenig aufzuwärmen.
An ihrem nördlichen Ende grenzt die Zhongyang Dajie an den zugefrorenen Songhua Fluss. Der es 2005 sogar in die westlichen Nachrichten schaffte, da er wegen eines Chemieunfalls mit Benzol verseucht wurde.
Entlang des Flusses verläuft die Sidalin-Jie (Straße). Sidalin... wonach klingt das? Ja, das ist die Stalin-Straße!
Im Winter gibt es drei bedeutende Orte mit Skulpturen und Gebäuden aus Schnee und Eis: der Zhaolin Park in der Stadt, Sun Island (Taiyangdao) und die Ice and Snow World (Bingxue Dashijie); die beiden letzten nördlich des Songhua Flusses. Zur Mittagszeit hat der Zhaolin Park noch geschlossen, daher will ich mit dem Bus nach Sun Island fahren.
Praktischerweise gibt es eine Linie (#29), mit der Sun Island und die Ice and Snow World ab dem Stadtzentrum direkt erreicht werden können. Der Bus steht nahe dem Nordende der Zhongyang Dajie und wartet auf Fahrgäste. Als ich einsteige, beginnt eine "interessante" kurze Unterhaltung mit dem Busfahrer:
"Aus welchem Land kommst Du?" - "Deutschland" - "Ah! Ich kenne Xitele (=Hitler), den finde ich toll." - "Ich finde ihn nicht so gut" ... an dieser Stelle hat der Busfahrer dann auf seiner Meinung beharrt und noch irgendwas für mich unverständliches erzählt.
Für den Bus musste man nicht einmal die zwei Kuai entrichten, wenn man von einem anwesenden Kartenverkäufer eine Eintrittskarte gekauft hat.
Nach einer Weile haben sich auch genügend Gäste eingefunden, die Kartenverkäufer verlassen den Bus und es geht los. Als wir die Brücke über den Songhua Fluss überquert haben, blicke ich auf eine schneelose Landschaft, bei der ich eher an Tauwetter als an diese frostigen Temperaturen denke.
Die Schneeskulpturen auf Sun Island sind mein erstes Ziel. Offensichtlich auch von russischen Einflüssen inspiriert:
Im Zentrum des Parks dann die Hauptattraktion - die gigantische Schneeskulptur "Snow dance style":
... und davor Animateure in allerlei lustigen Kostümen, um die Besucher zu beglücken:
Eine russische Stadt aus Schnee gibt es auch:
... dazu noch jede Menge weiterer Schneeskulpturen:
Gegen halb vier mache ich mich auf den Weg zur Ice and Snow World - der Stadt aus Eis mit den riesigen Eisbauten, die nachts farbig beleuchtet werden. Der Bus ist wahnsinnig voll. Als ich nach zehn Minuten endlich ankomme, bin ich heilfroh über die wieder gewonnene Freiheit, auch wenn es in die eisige Kälte geht. An die ich mich mittlerweile wenigstens ein bisschen gewöhnen konnte.
Hier gibt es neben Fantasiearchitektur chinesische Bauten aus Eis, wie die Gartenmauern von Suzhou oder dieser kaiserliche Palast der Tang-Dynastie:
Zum Abschluss gibt es sogar noch ein Musical in der Eiswelt:
Da es erst halb acht ist nehme ich den Bus zurück in die Stadt. Der ist zwar nicht so voll, aber der Fahrer scheint es zu genießen, die Kurven mit vollem Schwung zu nehmen oder recht abrupt zu bremsen. Ursprünglich hatte ich damit gerechnet, eventuell ein Taxi ab der Ice and Snow World zum Bahnhof zu nehmen. Aber jetzt ist sogar noch genügend Zeit übrig, Harbin bei Nacht zu erkunden. Da der Bus in der Nähe des Zhaolin Parks hält, beschließe ich, diesem doch noch einen Besuch abzustatten.
Die Preise für die Eis- und Schneeattraktionen sind generell recht happig. Für den Zhaolin Park z.B. 200 Yuan für Erwachsene und 80 Yuan für Schüler und Studenten. Glücklicherweise wird überall der Studentenausweis akzeptiert. Trotzdem zahle ich für die Ice and Snow World noch 160 und für Sun Island 120 Yuan - für chinesische Verhältnisse wahnsinnig teuer.
Den Besuch im Zhaolin Park hätte ich mir auch sparen können. Es gibt beleuchtete Gebäude aus Eis, die aber nicht mit der Ice and Snow World mithalten können. Dazu noch eine Ausstellung von Eisskulpturen.
Dazu das, was die chinesische Kinowelt das letzte Jahr bewegte, Schlumpf-Figuren und Kongfu-Panda:
Von der Sophienkathedrale fahre ich dann mit dem Bus zum Bahnhof. Ein klein wenig stolz, dass die Kartenskizze und Informationen zur Navigation genügt haben und ich nicht einmal ein Taxi nehmen musste.
Mit Z2 geht es - ebenfalls über Nacht - auf "soft seats" zurück nach Peking. Zum Schlafen bequemer als die Sitze im Schnellzug - oder ich war einfach nur viel müder.
11. JanuarNoch ein paar Bilder auf dem Weg von der Bushaltestelle nach Hause: